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Kein Zurückbehaltungsrecht für Wohnungseigentümer gegen WEG- Hausgeldforderungen

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Der Bundesgerichtshof (BGH) hat kürzlich eine wichtige und für Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) wegweisende Entscheidung getroffen:


Ein Wohnungseigentümer kann gegen laufende Hausgeld- bzw. Wohngeldvorschüsse der Gemeinschaft kein Zurückbehaltungsrecht geltend machen — selbst dann nicht, wenn er seinerseits rechtskräftige Gegenansprüche hat (BGH, Urteil vom 14.11.2025 - V ZR 190/24).



  1. Hintergrund des Rechtsstreits


  • Eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (WEG) forderte von einem ihrer Eigentümer rückständige Hausgeld-Vorschüsse — diese waren im Wirtschaftsplan (gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 WEG) beschlossen worden.

  • Der Eigentümer verweigerte die Zahlung mit Hinweis auf fehlende bzw. verspätete Jahresabrechnungen der WEG — er machte geltend, ihm stehe deswegen ein Zurückbehaltungsrecht zu. In der Vergangenheit war die WEG bereits rechtskräftig zur Erstellung einer solchen Abrechnung verurteilt worden.

  • Sowohl das Berufungsgericht als auch der BGH wiesen diese Einrede ab. Der BGH stellte klar: Ein Zurückbehaltungsrecht ist gegen solche Vorschussforderungen grundsätzlich ausgeschlossen.


  1. Begründung des BGH


Kern der Entscheidung ist die Funktion der Hausgeld- bzw. Wohngeldvorschüsse als „zentrales Finanzierungsinstrument“ der WEG. Laut BGH dient dieses System der Sicherstellung der Liquidität der Gemeinschaft: Nur so können notwendige Bewirtschaftungs-, Verwaltungs- und Instandhaltungsmaßnahmen zuverlässig finanziert werden.


Ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB sei daher nicht geeignet — da es lediglich ein Druckmittel darstelle und im Falle nicht gleichartiger Ansprüche die Durchsetzung der Vorschussforderungen zeitlich unbestimmt hinauszögern könnte. Damit würde die finanzielle Grundlage der WEG gefährdet.


Zudem liegen auch die rechtlichen Voraussetzungen für die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts nicht vor. Ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs.1 BGB setzt nämlich einen fälligen und gegenseitig bestehenden Anspruch voraus. Hier fehlte es an der Gegenseitigkeit der Ansprüche. Während der Anspruch auf Zahlung des Hausgeld nämlich der Wohnungseigentümergemeinschaft (GdWE) zusteht, richtet sich der Anspruch des einzelnen Wohnungseigentümers auf Erstellung der Jahresabrechnung nach § 28 Abs. 2 S. 2 WEG gegen den Verwalter. In diesen Fällen liegt also vielmehr ein Dreiecks-Verhältnis zwischen einzelnen Eigentümer, GdWE und Verwalter vor, sodass kein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB geltend gemacht werden kann.


Im Unterschied dazu sei eine Aufrechnung nach § 389 BGB aber zulässig, sofern die Gegenforderung anerkannt oder rechtskräftig festgestellt ist — denn diese wirkt direkt tilgend auf die Forderung und beeinträchtigt das Finanzierungssystem nicht.



  1. Bedeutung für die Praxis


Für Wohnungseigentümer und WEG-Verwalter ergibt sich aus der Entscheidung eine erhebliche Klarstellung:


  • Eigentümer können die Zahlung von Hausgeldvorschüssen nicht mit dem Hinweis verweigern, Jahresabrechnungen fehlten oder seien verspätet.

  • Ein Zurückbehaltungsrecht existiert grundsätzlich nicht, selbst wenn die WEG zu einer Abrechnungserstellung rechtskräftig verurteilt wurde.

  • Verbleibt dem Eigentümer dennoch eine tatsächlich bestehende, durchsetzbare Gegenforderung (z. B. Schadensersatz), kann er diese zwar zur Aufrechnung stellen – aber eben nicht zur Begründung eines Zurückbehaltungsrechts nutzen.



Damit bestätigt der BGH ein für die Praxis zentrales Prinzip: Die WEG muss zu jedem Zeitpunkt finanziell handlungsfähig sein. Der Gesetzgeber hat mit dem Vorschusssystem des § 28 Abs. 1 WEG bewusst eine Struktur geschaffen, die einen kontinuierlichen Mittelzufluss sicherstellt. Würde man ein Zurückbehaltungsrecht zulassen, könnte jeder einzelne Eigentümer dieses System ins Wanken bringen, indem er Zahlungen zeitlich unbestimmt verzögert.



  1. Konsequenzen für Wohnungseigentümer


Für Eigentümer ist die Entscheidung ein Warnsignal:


  • Wer Hausgeld nicht zahlt oder zurückbehält, riskiert Verzugszinsen, Mahnkosten, Klagen, Gerichtskosten und Vollstreckungsmaßnahmen.

  • Selbst wenn die Verwaltung Fehler macht oder Abrechnungen nicht erstellt: Die Zahlungspflicht bleibt bestehen.

  • Rechtliche Ansprüche gegen die WEG müssen separat durchgesetzt werden – nicht durch Zahlungsstopp.



Beispiel aus der Praxis:

Selbst wenn eine Jahresabrechnung zwei Jahre verspätet erstellt wird, darf der Eigentümer die Hausgeldvorschüsse nicht zurückhalten. Er kann aber – falls seine Forderung rechtlich feststeht – damit aufrechnen oder die Abrechnung gerichtlich erzwingen.



  1. Konsequenzen für Verwalter und Gemeinschaften


Für Verwalter bietet das Urteil wichtige Argumentationssicherheit:


  • Zahlungsrückstände lassen sich schneller geltend machen.

  • In gerichtlichen Auseinandersetzungen kann sich die WEG klar darauf berufen, dass Zurückbehaltungsrechte nicht einschlägig sind.

  • Die Liquidität der Gemeinschaft wird geschützt – ein wesentlicher Punkt, insbesondere in größeren Anlagen mit hohem Kostenvolumen.



Gleichzeitig bleibt für Verwalter die Pflicht bestehen, ordnungsgemäße Wirtschaftspläne und Abrechnungen zeitnah zu erstellen. Das Urteil entbindet nicht von diesen Kernaufgaben – es verhindert lediglich, dass Eigentümer die Gemeinschaft durch Zurückbehaltung „erpressen“ können.



  1. Bewertung und Einordnung


Die Entscheidung schafft endgültige Rechtssicherheit in einer lange diskutierten Frage. Bereits ältere Entscheidungen ließen erkennen, dass der BGH das Zurückbehaltungsrecht kritisch sieht. Nun hat er diese Linie ausdrücklich bestätigt und ausgeweitet:


  • Kein Zurückbehaltungsrecht – selbst bei rechtskräftigen Gegenansprüchen.

  • Aufrechnung bleibt zulässig.


Damit ist die dogmatische Trennung zwischen „Druckmittel“ (Zurückbehaltungsrecht) und „Erfüllungswirkung“ (Aufrechnung) besonders deutlich hervorgehoben.


 
 
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